Das Bier wird besser...
… doch umso misslicher wird die finanzielle Lage des Augustinerchorherrenstifts. Vor zwei Jahren hatte Bruder Meinrad die Segel gestrichen. Kaum war er weg, machte es den Augustinern plötzlich nichts mehr aus, sich an die Vorgaben den Benediktiners zu halten. Mälzen und Sieden bei gleichbleibender Temperatur, Ofen und Kessel nicht überheizen – die Brauer und Bräuburschen beherzigten endlich das, was ihnen Meinrad fünf Jahre lang gepredigt hatte. Resultat: Die Baumburger hatten endlich ihr „bekömlich pier“. Sofern das Wetter mitspielte und die Gersten- und Hopfenernte von brauchbarer Qualität war.
An der finanziellen Schieflage war natürlich nicht das Bier schuld. 1632 wütete ein Feuer im Alten Markt. Fast alle Häuser der Bauern und Handwerker im Tal fielen dem Brand zum Opfer. Kaum waren die Gebäude notdürftig wiederhergestellt, mussten die Altenmarkter im Jahr 1633 rund 700 Reitern der kaiserlichen Kavallerie Quartier gewähren und diese verpflegen. Erst kaum Einnahmen, dann Ausgaben. Der 30-jährige Krieg und die Pest taten ihr Übriges.
Es lief mal besser, mal schlechter in Baumburg. Auch die Augustinerchorherren gingen mit der Zeit. Die gotischen Gebäude waren nicht mehr gut genug, Barock war der letzte Schrei. Die Stiftsgebäude wurden umgebaut und repräsentativ erweitert, das Kloster wurde größer und größer. Viele Handwerker und Bauern wurden beschäftigt. Schwere Arbeit, großer Durst. Die Baumburger erweiterten ihre Siederei, der Mälzofen wurde neu und größer gemauert, ein Braumeister und sechs Bräuburschen sorgten für Nachschub, und in der Klostertaverne lief das Braunbier in Strömen aus den Eichenfässern. Zu Füßen der Klosterkirche ließ der Propst ein Häuschen errichten, in dem der Fasslbinder seine Fässer fertigte und auspichte.
Schulden zur Ehre Gottes
Die rege Bautätigkeit riss gewaltige Löcher in die Klosterkasse. Probst Michael Doegger (1688–1706) hinterließ Schulden in Höhe von 15.000 Gulden. Der Gulden hatte damals eine Kaufkraft, die heute etwa 50 Euro betragen würde. Eine Dreiviertelmillion Miese also. Dessen Nachfolger Patritius II. Stöttner (1707–1737) und Maximilian Zindl (1737–1748) bekamen die Lage nicht in den Griff – nach Zindls Tod stand das Augustinerchorherrenstift mit 35.000 Gulden in der Kreide – umgerechnet rund 1,75 Millionen Euro.
Das hinderte Zindls Nachfolger, Probst Joachim Vischer (1748-1761) nicht daran, die mittelalterliche Kirche St. Margarethen durch den lichten Rokoko-Kirchenbau mit den charakteristischen Zwiebelhauben ersetzen zu lassen. Der Umbau unter dem Trostberger Baumeister Franz Alois Mayr und dem Prager Hofmaler Felix Anton Scheffler sollte zur 600-Jahr-Feier 1756 fertig werden. Propst Vischer hatte den Landesherrn, Kurfürst Max III. Josef, zur Feier eingeladen. Fast hätten’s Mayr und Scheffler auch geschafft. Die Kirche wurde 1758 fertig. Und entsprechend teurer wurde sie auch. Vischers Hinterlassenschaft an seinen Nachfolger Propst Guarinus Steininger (1761–1778): ein Schuldenberg von 120.000 Gulden – heute etwa 6 Millionen Euro. Eine Summe, deren Tilgung für die Augustinerchorherren nicht mehr zu bewältigen war. Die Regierung in Burghausen und der Geheime Rat zu München schritten ein. Das taten sie aber nicht im Gleichklang. Was die Burghauser vorschlugen – zum Beispiel, den Bauern ihre Höfe als Erbrecht zu verkaufen, statt sie auf Basis des Leibrechts auszugeben – lehnten die Münchner ab. Als Interimsadministrator wurde den Chorherren 1780 acht Monate lang der Klosterwirt Anton Lechner vor die Nase gesetzt. Dem wurde erstmals eine einwandfreie Kassenführung bestätigt.
1790 wurde mit Franz I. Krumb ein auswärtiger, in wirtschaftlichen Angelegenheiten erfahrener Propst eingesetzt. Der war allerdings dem selbstbewussten Konvent nicht zupass. Trotzdem gelang es Krumb, den Schuldenstand innerhalb von fünf Jahren um 20.000 Gulden abzubauen. Zwischen 1797 und 1801 aber zermürbten die Folgen der Revolutionskriege den sparsamen Probst: Das Lazarett im Kloster Baumburg hatte zahlreiche verletzte kurbayerische, kaiserliche und französische Soldaten zu versorgen. Dieser Belastung sah sich Krumb, dessen Gesundheit angegriffen war, nicht mehr gewachsen und bat um seine Resignierung. Die Konventangehörigen wählten Probst Franz II. Lindemann zu seinem Nachfolger. Doch ihm sollte es nicht mehr vergönnt sein, die finanzielle Lage des Konvents weiter zu verbessern.
Nächste Seite: Das Chorherrenstift wird aufgehoben.